Was charakterisiert einzelne Innenraum-Schadstoffe? Welche Schadstoff-Quellen gibt es? Wie wirken sich die Chemikalien auf Mensch und Umwelt aus? Und wie beurteilt das eco-INSTITUT die Stoffe? Diese und weitere Fragen klären wir in unserer Rubrik „Schadstoff-Steckbrief“.
Nitrosamine (genauer: N-Nitrosamine) sind organische Stickstoffverbindungen, die aus der Reaktion von Nitrit oder nitrosen Gasen (Stickoxiden) und Aminen entstehen. Sie können auch innerhalb des menschlichen Körpers gebildet werden.
Nitrosamine besitzen als Einsatzstoffe keine technische Bedeutung, sie bilden sich i.d.R. prozessbedingt und nur unter bestimmten Voraussetzungen (vor allem im sauren Milieu).
Zahlreiche N-Nitrosamine sind besonders potente Kanzerogene – bereits kleinste Mengen können krebsauslösend wirken.
Nitrosamine kommen – meist in geringen, gesundheitlich unbedenklichen Mengen – in vielen Lebensmitteln vor: z. B. in Bier, gepökeltem Fleisch, Fisch oder Käse. Beim Bier können Nitrosamine beim Trocknen des Gerstenmalzes entstehen – aus natürlichen Inhaltsstoffen der Gerste und stickoxidhaltigen Gasen. Bei gepökelten Lebensmitteln reagiert das Nitrit aus dem zugesetzten Pökelsalz mit den Aminen aus den Eiweißverbindungen zu Nitrosaminen – vor allem unter Einfluss starker Hitze wie beim Grillen.
Tabakrauch ist eine weitere Quelle für Nitrosamine.
Daneben könnten Nitrosamine bei der Herstellung von Natur- oder Synthesekautschuk – z. B. für Babysauger, Luftballons, Gummihandschuhe oder Latexmatratzen – entstehen. Die Hilfschemikalien, die im Produktionsprozess bei der sog. Vulkanisation zum Einsatz kommen (z. B. Dithiocarbamate und Thiurame), können in Nitrosamine und nitrosierbare Amine umgewandelt werden.
Neben der Gummiindustrie können Nitrosamine an Arbeitsplätzen metallverarbeitender Betriebe auftreten (z. B. als Verunreinigung in wassermischbaren Kühlschmierstoffen).
Auch Kosmetika (z. B. Duschgel) können belastet sein: Die Nitrosamine gelangen durch verunreinigte Rohstoffe in das fertige Produkt oder sie entstehen dadurch, dass verschiedene Inhaltsstoffe während der Herstellung oder Lagerung miteinander reagieren.
Neben den o. g. exogenen Quellen, bei denen Nitrosamine außerhalb des menschlichen Organismus entstehen und über die Atemwege, Haut oder Nahrung in den Körper gelangen, gibt es noch eine weitere Quelle: Nitrosamine können sich auch im Körper (endogen) bilden. Im Speichel reduzieren dabei Mikroorganismen Nitrat, das in vielen Lebensmitteln – insbesondere Gemüse – vorkommt, zu Nitrit. Im sauren Milieu des Magens kann das Nitrit anschließend mit Aminen aus eiweißhaltiger Nahrung zu Nitrosaminen reagieren.
Der Mensch nimmt Nitrosamine vor allem über die Nahrung und das (Passiv-)Rauchen auf.
Ein weiterer Aufnahmeweg ist der Kontakt über Haut und Schleimhäute mit Bedarfsgegenständen (z. B. Babysauger und Spielzeug aus Natur- oder Synthesekautschuk) oder Kosmetika.
Wirkungen auf Mensch und Umwelt
Nitrosamine zählen zu den besonders gefährlichen und hoch potenten krebserzeugenden Stoffen – die meisten getesteten Nitrosamine haben sich im Tierversuch als krebsauslösend erwiesen.
Stoffeinstufungen
Verschiedene Regelwerke wie CLP-Verordnung, TRGS 905, IARC -Liste und MAK-Liste stufen eine Reihe von Nitrosaminen als potentiell krebserregend ein, darunter folgende Substanzen:
Verbote und Einsatzbeschränkungen
Für Spielzeug aus Natur- oder Synthesekautschuk für Kinder bis zu 36 Monaten und Babysauger sind Höchstwerte für die Freisetzung von N-Nitrosaminen bzw. Stoffen, die in N-Nitrosamine umsetzbar sind (nitrosierbare Stoffe), definiert:
- 0,01 mg/kg für N-Nitrosamine und 0,1 mg/kg für nitrosierbare Stoffe (Bedarfsgegenständeverordnung)
- 0,05 mg für N-Nitrosamine und 1 mg/kg für nitrosierbare Stoffe (EU-Spielzeugrichtlinie1)
Für Luftballons aus Natur- oder Synthesekautschuk gelten folgende Höchstwerte:
- 0,05 mg/kg für N-Nitrosamine und 1,0 mg/kg für nitrosierbare Stoffe (Bedarfsgegenständeverordnung)
Nitrosamine in Kosmetika begrenzt die Kosmetikrichtlinie2 auf 50 µg/kg.
Für wassergemischte Kühlschmierstoffe setzt die TRGS 611 die Konzentration für NDELA (N-Nitrosodiethanolamin) auf 0,0005 % (5 mg/kg) und für NMOR (N-Nitrosomorpholin) auf 0,0001 % (1 mg/kg) fest; oberhalb dieser Konzentration ist der Kühlschmierstoff als krebserzeugend zu kennzeichnen.
1) Richtlinie 2009/48/EG
2) Richtlinie 76/768/EWG
Beim eco-INSTITUT-Label gilt für Matratzen und andere Latexprodukte ein Nitrosamin-Anforderungswert von 0,1 µg/m³. Die Nitrosamine werden dabei nicht im Produkt selber bestimmt (als Gehalt in mg/kg), sondern als Emission (Ausdünstung) in der Prüfkammerluft (2 Tage nach Beladung der Prüfkammer).
Im Gegensatz dazu beziehen sich die gesetzlichen Grenzwerte (z. B. der Bedarfsgegenständeverordnung) auf den Nitrosamin-Gehalt – daher lassen sich diese Grenzwerte mit dem Anforderungswert des eco-INSTITUT-Labels nicht direkt vergleichen. Man kann aber berechnen, ob zertifizierte Produkte den strengsten gesetzlichen Grenzwert für Nitrosamine von 0,01 mg/kg (Bedarfsgegenständeverordnung für Spielzeug und Babysauger) erfüllen würden. Der Anforderungswert des eco-INSTITUT-Labels ist so gewählt, dass der – mögliche – Nitrosamin-Gehalt zertifizierter Produkte deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert liegt. Oder anders gesagt: Der Anforderungswert begrenzt die Nitrosamine deutlich strenger als der gesetzliche Grenzwert1.
Die niedrigste tolerierbare Konzentration für NDMA (N-Nitrosodimethylamin) in der Raumluft, die in der Literatur zitiert wird (aus einer Studie des norwegischen Gesundheitsministeriums2), liegt bei 0,03 ng/m³. Es ist derzeit aber noch nicht möglich, diese niedrigen Werte nachzuweisen. Die Bestimmungsgrenze – die kleinste Konzentration, für die eine Konzentration angegeben werden kann – ist messtechnisch eine Herausforderung. Gleichwohl nimmt das eco-INSTITUT hier eine Vorreiterrolle ein, denn bereits 0,03 µg/m³ sind bestimmbar3.
1) Berechnungsgrundlage sind zwei Naturlatexmatratzen mit einem Gesamtgewicht von 40 kg und einem maximal erlaubten Nitrosamin-Gehalt von 0,4 mg (0,01 mg/kg*40 kg) in einem Schlafzimmer mit 30 m³-Raumvolumen. Die maximal mögliche Nitrosamin-Emission (100 % der Nitrosamine gasen aus) beträgt 13,3 µg/m³ (0,4 mg/30 m³) – und liegt damit weit über dem Anforderungswert des eco-INSTITUT-Labels von 0,1 µg/m³.
2) The Norwegian Institute of Public Health (Hrsg.) (2011): Health effects of amines and derivatives associated with CO2 capture.
3) Bei der Emissionsprüfung ist die Bestimmungsgrenze abhängig von der Luftmenge, die aus der Prüfkammer für die Analyse entnommen wird. Sie liegt für Nitrosamine bei 6 ng, d. h. bei einem Probenahmevolumen von 100 Litern Prüfkammerluft beträgt die Bestimmungsgrenze 60 ng/m³, bei 200 Litern sind es 30 ng/m³. Soll der Anforderungswert des eco-INSTITUT-Labels von 100 ng/m³ (0,1 µg/m³) doppelt so hoch liegen wie die Bestimmungsgrenze, benötigt man ein Probenahmevolumen von 120 Litern Prüfkammerluft. Normalerweise erfolgt die Probenahme mit 200 Litern, d. h. der Anforderungswert liegt sogar dreimal so hoch wie die Bestimmungsgrenze.
Nitrosamine: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/toxische_reaktionsprodukte/nitrosamine/index.htm
Nitrosamine: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
https://www.dguv.de/ifa/praxishilfen/kuehlschmierstoffe/lexikon/nitrosamine/index.jsp
Nitrosamine in Kosmetika: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – Vortrag beim 35. Dt. Lebensmittelchemikertag 2006 (PDF-Datei)
https://www.lgl.bayern.de/produkte/kosmetika/kosmetische_mittel/doc/nitrosamine_kosmetika.pdf
Spielzeug aus Natur- und Synthesekautschuk für Kinder unter drei Jahren: Freisetzung von N-Nitrosaminen sollte so gering wie möglich sein: Stellungnahme des Bundesamtes für Risikoforschung (BfR) (PDF-Datei)
https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/spielzeug-aus-natur-und-synthesekautschuk-fuer-kinder-unter-drei-jahren-freisetzung-von-n-nitrosaminen-sollte-so-gering-wie-moeglich-sein.pdf
Nitrosamine in Arbeitsbereichen – ein gelöstes Problem? Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft (2001) Nr. 1/2
https://www.dguv.de/medien/ifa/de/pub/grl/pdf/007_2001.pdf
Grafiken: Karin Roth
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