Was charakterisiert einzelne Innenraum-Schadstoffe? Welche Schadstoff-Quellen gibt es? Wie wirken sich die Chemikalien auf Mensch und Umwelt aus? Und wie beurteilt das eco-INSTITUT die Stoffe? Diese und weitere Fragen klären wir in unserer Rubrik „Schadstoff-Steckbrief“.
Weichmacher sind Stoffe, die Materialien weich und formbar machen und deren Gebrauchseigenschaften verbessern. Sie werden v. a. in Kunststoffen, aber auch in Farben/Lacken, Klebstoffen oder Gummiprodukten verwendet. Als Weichmacher kommen verschiedene Chemikalien zum Einsatz, am häufigsten Stoffe aus der Gruppe der Phthalate, insbesondere …
- DIDP – Di-isodecylphthalat
- DINP – Di-isononylphthalat
- DEHP – Di(2-ethylhexyl)phthalat
- DBP – Dibutylphthalat
- BBP – Benzylbutylphthalat
- DIBP – Di-isobutylphthalat.
Am zweithäufigsten verwendet die Industrie Weichmacher aus der Gruppe der Terephthalate.
Daneben werden unter anderem Epoxide, Aliphate, Trimellitate, Phosphorsäureester oder Naturstoffe wie Kampfer, Rizinusöl oder Citrate als weichmachende Substanzen eingesetzt.
Exkurs: Phthalate – Terephthalate
Phthalsäureester (Kurzform: Phthalate) sind Verbindungen der ortho-Phthalsäure mit verschiedenen Alkoholen. Der Chemiker spricht daher auch von ortho-Phthalaten (im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Phthalate mit den ortho-Phthalaten gleichgesetzt).
Terephthalsäureester (Kurzform: Terephthalate) sind Verbindungen der para-Phthalsäure mit verschiedenen Alkoholen. Man nennt die Terephthalate auch para-Phthalate. Sie unterscheiden sich strukturell von den Phthalaten in der Orientierung der Seitenketten.
Das größte Einsatzgebiet für Weichmacher sind Kunststoffe, insbesondere PVC (Polyvinylchlorid). Rund 90 Prozent der in Europa hergestellten Weichmacher werden für Produkte aus Weich-PVC verwendet. Aus diesem Kunststoff fertigt die Industrie vor allem Kabelummantelungen, Folien, Bodenbeläge, Tapeten, Schläuche, aber auch Textilien, Sportartikel, Spielzeug oder medizinische Produkte (z. B. Infusionsschläuche). Weitere Einsatzgebiete von Weichmachern sind Lacke, Dichtungsmassen oder Klebstoffe.
Das Phthalat DEHP war in Westeuropa lange Zeit der am häufigsten eingesetzte Weichmacher. Mittlerweile hat die Industrie diesen Stoff in vielen Bereichen durch die Phthalate DINP und DIDP ersetzt, die im Gegensatz zu DEHP nicht als besonders besorgniserregende Stoffe eingestuft sind (nach REACH-Verordnung ).
Weichmacher wie Phthalate sind in Produkten chemisch nicht fest gebunden. Sie können ausdünsten oder sich auswaschen. Bei Kontakt mit (vor allem fetthaltigen) Lebensmitteln können sie in die Nahrung übergehen: Sie lösen sich aus der Verpackung oder gelangen schon während der Herstellung (z.B. über phthalathaltige PVC-Schläuche) in die Lebensmittel.
Phthalate lassen sich mittlerweile überall in der Umwelt nachweisen, man findet sie sogar im menschlichen Blut oder Urin. Der Mensch nimmt diese Stoffe vor allem über die Nahrung auf, aber auch über die Atemwege oder die Haut gelangen sie in den Körper. Hausstaub ist ein weiterer Aufnahmeweg, insbesondere für Kleinkinder – Phthalate neigen dazu, sich an Partikel anzulagern (so können sie sich auch über weite Strecken verbreiten).
Wirkungen von Phthalaten auf Mensch und Umwelt
Manche Phthalate beeinflussen das Hormonsystem: Sie stören die Fruchtbarkeit und beeinflussen die Entwicklung und sexuelle Reifung von Kindern. Zudem stehen Phthalate im Verdacht, Atemwegsprobleme zu verstärken. DINP und DIDP schädigen die Leber Einige Phthalate wie beispielsweise DEHP, DINP und DIDP sind hochgradig bioakkumulativ: Sie reichern sich in der Umwelt an und sind im Boden sehr langlebig. DBP und BBP sind sehr giftig für Wasserorganismen.
Ersatzweichmacher DEHT und DINCH
Weichmacher, die nicht zur Stoffgruppe der Phthalate gehören wie DEHT (Di(2-ethylhexyl)-terephthalat) oder DINCH (Diisononylcyclohexan-1,2-dicarboxylat) setzt die Industrie zunehmend als Ersatz für gesundheitsschädigende Phthalate wie DEHP ein. Das Umweltbundesamt hält dies für problematisch – auch die Ersatzstoffe können sich aus dem Kunststoff herauslösen und so in die Umwelt gelangen (es gibt sogar Hinweise, dass sie leichter freigesetzt werden). Zudem ist noch zu wenig über die gesundheitlichen Risiken dieser Ersatzweichmacher bekannt.
Stoffeinstufungen
DEHP, DBP, BBP und DIDP sind neben weiteren Phthalaten als fortpflanzungsgefährdend eingestuft und finden sich auf der REACH -Verordnung-Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC = substances of very high concern).
DEHP steht im Verdacht, krebserzeugend zu sein.
DBP und BBP gelten als sehr giftig für Wasserorganismen.
Verbote und Einsatzbeschränkungen
Seit 2005 sind die fortpflanzungsgefährdenden Phthalate DEHP, DBP und BBP innerhalb der EU in Kinderspielzeug und Babyartikeln verboten1,2 (ihre Konzentration im weichmacherhaltigen Material des Endproduktes darf nicht mehr als 0,1% betragen). Zudem dürfen sie nicht in Kosmetika eingesetzt werden3 und in Lacken und Farben enthalten sein, die an private Haushalte verkauft werden1.
Die Phthalate DINP, DIDP und DNOP (Di-n-octylphthalat) dürfen nicht in Kinderspielzeug und Babyartikeln, die Kinder in den Mund nehmen können, verwendet werden1,2 (sofern ihre Konzentration im Endprodukt 0,1% übersteigt).
Für Phthalate in Kunststoffen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, gelten bestimmte Grenzwerte. Teilweise ist ihr Einsatz bei fetthaltigen Lebensmitteln oder Säuglingsnahrung verboten4.
- EU-Chemikalienverordnung REACH
- Bedarfsgegenständeverordnung
- Kosmetikverordnung
- Verordnung (EU) Nr. 10/2011
Weitere Anmerkungen
Grenzwerte beziehen sich immer nur auf einzelne Substanzen. Das Zusammenwirken mehrerer Phthalate hat die EU bislang nicht bewertet. Wissenschaftler vermuten aber, dass sich die Wirkungen einzelner Phthalate in der Gruppe eher addieren.
Für weitere Phthalate sowie andere Weichmacher existieren keine gesetzlichen Beschränkungen. Es liegen allerdings längst nicht zu allen Substanzen ausreichend Daten vor, um das Risiko für Mensch und Umwelt beurteilen zu können.
Das eco-INSTITUT-Label erlaubt in zertifizierten Produkten keinen Einsatz von Phthalsäureestern, Terephthalsäureestern und DINCH. Grundsätzlich steht das eco-INSTITUT diese Substanzen kritisch gegenüber und schließt auch Einsatzstoffe, die nicht als fortpflanzungsgefährdend eingestuft sind, aus Vorsorgegründen aus (wie DEHT oder DINCH). DEHT ist durch seinen Abbau zu Ethylhexansäure kritisch zu sehen: Es besteht Verdacht auf fruchtbarkeitsschädigende Wirkung. DINCH lässt sich vermehrt in der Umwelt und im menschlichen Körper nachweisen, mögliche schädigende Wirkungen sind aber noch nicht abschließend bewertet.
Andere Weichmacher werden derzeit als Einsatzstoffe in zertifizierten Produkten akzeptiert, wenn sie die stofflichen Grundanforderungen des eco-INSTITUT-Labels erfüllen.
Grenzwerte
Im Rahmen der Laborprüfung werden die Produkte auf verschiedene Phthalsäureester, DEHT sowie DINCH untersucht. Der Grenzwert beträgt 100 mg/kg für alle Phthalsäureester (als Summenwert) und jeweils 100 mg/kg für DEHT und DINCH. Bis zu diesem Wert kann man davon ausgehen, dass die jeweilige Substanz nicht absichtlich eingesetzt wird. Werte unterhalb dieses Grenzwertes weisen auf Verunreinigungen hin (da Phthalate überall in der Umwelt vorhanden sind, lassen sich in Proben oft Spuren nachweisen).
Häufige Fragen zu Phthalaten bzw. Weichmachern: Website des Umweltbundesamtes (UBA)
https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/weichmacher/haeufige-fragen-zu-phthalaten-bzw-weichmachern
Phthalate: Broschüre des UBA
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/phthalate
Neue Weichmacher in Kunststoffen: Information des UBA (PDF-Datei)
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/Ausgabe01-2011.pdf
Die Belastungen der Kinder mit Phthalaten sind zu hoch! Information des UBA (PDF-Datei)
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/Ausgabe05-2009.pdf
Kinder-Umwelt-Survey (KUS) 2003/06 – Human-Biomonitoring-Untersuchungen auf Phthalat- und Phenanthrenmetabolite sowie Bisphenol A (UBA)
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/kinder-umwelt-survey-kus-200306-human-biomonitoring
Phthalate: Website des Bundesamtes für Risikoforschung
http://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/phthalate-4862.html
Plasticizer Makers Want A Piece Of The Phthalates Pie: Fachartikel über Phthalate (Englisch)
http://cen.acs.org/articles/93/i25/Plasticizer-Makers-Want-Piece-Phthalates.html
Plasticizers: Marktforschungsdaten zu Weichmachern (englisch)
https://www.ihs.com/products/plasticizers-chemical-economics-handbook.html
Grafiken: Karin Roth
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