27. Februar 2020 | Karin Roth | Alle Beiträge, Emissionen und Schadstoffe USA Produktanforderungen

Europäische Hersteller von Bauprodukten, Matratzen oder Möbeln, die ihre Produkte in den USA vermarkten wollen, sind dort mit einer Vielzahl gesetzlicher oder freiwilliger Anforderungen konfrontiert. Etwas Klarheit in diesem Anforderungs-Dschungel liefert dieser Beitrag – ohne Anspruch auf Vollständigkeit (eine Infografik zum Thema finden Sie hier).


Die US-amerikanischen Anforderungen an Produkte lassen sich grob unterscheiden in

  • gesetzliche Anforderungen, die entweder auf Bundes- oder Staatenebene gelten,
  • Markt-Anforderungen, die nicht gesetzlich verpflichtend sind, ohne die aber faktisch kein Marktzugang möglich ist, und
  • Markt-Anforderungen „Best-in-Class“ – freiwillige umwelt- und gesundheitsrelevante Anforderungen, die für den Zugang in bestimmte Marktsegmente wichtig sind.

1. Gesetzliche Anforderungen

1.1 Bundes-Ebene

Bundesweit gilt das Toxic Substances Control Act (TSCA). „Dabei handelt es sich um eine Art amerikanisches REACH “, erklärt Henning Bloech, USA-Experte und Berater in Sachen Nachhaltigkeitsstrategien sowie Produktprüfungen und -zertifizierungen. Bestimmte toxische Substanzen sind darin reguliert und Grenzwerte festgelegt. Seit 2 Jahren fällt auch Formaldehyd darunter, was im TSCA Title VI geregelt ist. „Das TSCA Title VI bedeutet einen riesigen Aufwand für die Hersteller, die Holzwerkstoffe in ihren Produkten einsetzen“, sagt Bloech. Die meisten Holzwerkstoffe müssen geprüft, zertifiziert und dokumentiert sein, um die TSCA-Vorgaben zu erfüllen. Produkte, die diese Werkstoffe enthalten, müssen darauf hinweisen.

Zu den Naturschutzanforderungen zählt CITES , das den Handel mit gefährdeten Pflanzen- und Tierarten regelt. Darunter fällt z. B. Holz geschützter Arten, das teilweise nicht gehandelt oder nur mit entsprechender Dokumentation eingeführt werden darf.

Im Federal Hazardous Substances Act ist geregelt, dass von Produkten, die für Kinder bestimmt sind, keine elektrische, mechanische oder thermische Gefahr ausgehen darf. Für Matratzen sieht das Gesetz verschiedene Bestimmungen zum Brandschutz und Chemikalieneinsatz vor.

Die Consumer Product Safety Commission (US-amerikanische Verbraucherschutzbehörde) hat vor allem die Sicherheit von Kindermöbeln und Möbeln im Wohnbereich im Blick. Kinderbetten müssen beispielsweise so gestaltet sein, dass der Kopf nicht stecken bleiben kann. Farben und Lacke sind im Bleigehalt reglementiert und für Polstermöbel gelten bestimmte Brandschutz-Anforderungen.

Insbesondere Polstermöbel betrifft das Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act, das den Einsatz von Insekten-, Pilz- und Nagergiften regelt oder untersagt.

Daneben existieren Gesetze zur Vermarktung, z. B. Umweltmarketing-Guidelines. „Diese sollen verhindern, dass der Verbraucher auf den falschen Pfad geführt wird“, so Henning Bloech. „Das kann ansonsten sehr schnell viel Geld kosten.“

Bei der Einfuhr von Produkten überwacht die Customs and Border Protection (US-amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde) deren Deklaration, die bestimmte Anforderungen erfüllen muss.

1.2 Staaten-Ebene

Auf Ebene einzelner Bundesstaaten gibt es Verpackungsvorschriften und sogenannte Labelling laws. So müssen beispielsweise bei Polstermöbeln oder Matratzen die Inhaltsstoffe deklariert werden.

Der Bundesstaat New York hat das Harper’s Law erlassen – ein Vorläufer der Consumer Product Safety Commission –, dessen Vorgaben zusätzlich zu beachten sind.

Viele individuelle Regelungen gibt es in Kalifornien: z. B. CARB – der Vorläufer von TSCA Title VI, nach dem alle Holzwerkstoffe zertifiziert und gelabelt sein müssen. Seit März 2019 ist eine Kennzeichnung nach TSCA Title VI Pflicht. „Wahrscheinlich passt Kalifornien sein Gesetz an, es gibt aber noch keine formelle Äußerung“, sagt Bloech. Er empfiehlt Herstellern daher, zur Sicherheit ihre Produkte nach den Vorgaben beider Gesetze zu kennzeichnen.

California Proposition 65 ist ein Gesetz, das die Bevölkerung vor schädlichen Stoffen schützen soll und für alle Produkte gilt, die in Kalifornien verkauft werden. Enthält ein Produkt eine der gelisteten 900 Chemikalien, muss es entsprechend gekennzeichnet werden. So könnte z. B. auf einem Produkt folgender Hinweis stehen: „Warning – the product contains formaldehyde, which is known to cause cancer.”

Das California Technical Bulletin enthält Brandschutzstandards, die bundesweit akzeptiert werden.

Grundsätzlich empfiehlt Bloech allen Herstellern, nach Kalifornien zu schauen und die dortigen Anforderungen zu erfüllen. „Damit ist man normalerweise auf der sicheren Seite – auch wenn es vereinzelt Ausnahmen gibt“, sagt er.


2. Markt-Anforderungen

Markt-Anforderungen sind gesetzlich nicht verankert, aber: „Ohne geht es nicht“, so Bloech. Dazu zählen z. B. UL-Standards zur technischen Sicherheit und zum Brandschutz, außerdem die Brandschutzstandards einzelner Bundesstaaten. Weitere Markt-Anforderungen sind Standards für mechanische Prüfungen und Sicherheitsprüfungen, darunter – für (Büro-)Möbel – BIFMA und ANSI standards.


3. Markt-Anforderungen „Best-in-Class“

Die Erfüllung dieser Anforderungen, die vor allem auf Gesundheits- und Umweltaspekte fokussieren, erfolgt auf freiwilliger Basis. Allerding ist der Zugang zu bestimmten Marktsegmenten (z. B. öffentlicher Sektor) nur mit entsprechend geprüften und/oder zertifizierten Produkten möglich. Viele Einkaufsstandards von größeren Organisationen oder von Behörden verlangen beispielsweise als „minimum performance“ VOC-Prüfungen. „Emissionsprüfungen sind nicht gesetzlich verpflichtend, aber wenn man diese nicht vorweisen kann, wird man vorher schon aussortiert“, erklärt Henning Bloech.

Grundlage und Antriebsfeder vieler freiwilliger umwelt- und gesundheitsrelevanter Produkt-Anforderungen sind Programme zur Gebäudezertifizierung wie LEED , das seit 2000 existiert. Daneben gibt es seit rund 5 Jahren den gesundheitsfokussierten WELL Building Standard, der auf LEED aufsetzt. In beiden Programmen werden in einzelnen Kategorien (z. B. Innenraumqualität, Materialien, Energie) Punkte (Credits) vergeben. Basierend auf der Gesamtpunktzahl erhält das Gebäude am Ende eine von mehreren Bewertungsstufen (LEED: Zertifiziert, Silber, Gold, Platin) oder Kategorien (WELL: Silber, Gold, Platin). Nach bestimmten Standards geprüfte und/oder zertifizierte Innenraumprodukte können die Credits entsprechend erhöhen.

Möglichkeiten für eine Produkt-Zertifizierung gibt es viele: Allen voran Greenguard, SCS Indoor Advantage (beide für Bauprodukte und Möbel), SCS Floorscore (für Bodenbeläge) oder BIFMA level (für Möbel). Die zugrundeliegenden Prüfstandards sind – für Möbel – BIFMA X7.1 und M7.1, für Bauprodukte (z. T. auch für Möbel) kommt die CDPH Standard method 1.1 und 1.2 (ehemals California Section 01350) zum Einsatz.

Weitere umweltrelevante Anforderungen stammen von Umweltbilanzen und EPD , die mittlerweile auch in den USA immer mehr gefragt sind. „Die USA sind hier etwa 5 Jahre hinter Europa“, sagt Bloech. Umweltbilanzen und EPDs werden aber immer wichtiger und werden inzwischen auch in LEED verlangt.

Transparenz ist ein ganz wichtiges Thema in den USA“, betont Bloech. „Viele Baustandards sagen klar: Wir wollen, dass Architekten und Gebäudebesitzer bewusste Entscheidungen treffen können, was sie in ihren Häusern verbauen.“ Bei der Health Product Declaration (HPD) müssen alle Inhaltsstoffe deklariert und mit einer KMR -Liste abgeglichen werden. „Viele Architekturfirmen bevorzugen mittlerweile Produkte mit HPDs“, so Bloech. Eine Inhaltsstoffdeklaration fordert auch die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung.



Alle Schlagwörter zu dem Beitrag: Anforderung, Bauprodukte, Matratzen, Möbel


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