Das Holz-Zentralblatt (Ausgabe 26 / 2024 vom 28. Juni 2024) berichtet über unser Bauprodukte-Seminar, das am 16. April 2024 in unseren Labor- und Geschäftsräumen Köln statt fand. Mit freundlicher Genehmigung des Holz-Zentralblattes dürfen wir an dieser Stelle den Text darstellen. Zur Webseite des Holz-Zentralblattes geht es hier.
Umweltindikatoren gewinnen bei Bauprodukten zukünftig an Bedeutung
Seminar des Kölner eco-INSTITUTs informiert über aktuelle deutschland- und europaweite Anforderungen für Bauprodukte hinsichtlich von Gesundheitsschutz und Ökobilanzierung
Welche gesundheitlichen Regelungen gelten für Bauprodukte? Welche Neuerungen gibt es beim Thema Ökobilanzen? Über aktuelle Anforderungen informierten sich 70 Teilnehmende aus der Bauwirtschaft auf dem ausgebuchten Bauprodukte-Seminar „Produktqualität für die Zukunft“ am 16.4.2024, das vom eco-INSTITUT, Köln, bereits zum fünften Mal im Rahmen seiner jährlichen Seminarreihe veranstaltet wurde.
Anlässlich des 35-jährigen Firmenjubiläums gab es bereits am Vortag des Seminars für die Teilnehmenden, zu denen u. a. Produkthersteller, Architektinnen und Auditoren gehörten, einen Rückblick auf die langjährige Firmengeschichte des eco-INSTITUTs. Der Firmengründer und Leiter der Kommission Innenraumlufthygiene (IRK) des Umweltbundesamtes Dr. Frank Kuebart referierte in den Räumlichkeiten des Unternehmens in Köln-Mühlheim zur Entwicklung der Emissionsmessungen und zum Werdegang des eco-INSTITUTs. Am nächsten Tag startete ein vielfältiges Programm rund um das Thema aktuelle Anforderungen und Zertifizierungen für Bauprodukte in Hinblick auf Gesundheitsschutz und Ökobilanzierung in Deutschland und Europa. Darüber hinaus bot die Veranstaltung Gelegenheit zu einem direkten Austausch mit den Ansprechpersonen im eco-INSTITUT.
Novelle der EU-Bauproduktenverordnung
Einen Überblick über die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten im bauaufsichtlichen Verfahren und die geltenden Verordnungen und Normen gab Dr. Astrid Gräf, Leiterin des Referats „Gesundheitsschutz, Innenraumhygiene, Schutz vor Radioaktivität in Bauprodukten“ vom Deutschen Institut für Bauprodukte (DIBt) in ihrem Vortrag. In den Landesbauordnungen und der damit verbundenen Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) sind gesundheitliche Anforderungen an Bauprodukte beschrieben, die bei der Erstellung von Gebäuden berücksichtigt werden müssen. Bei der gesundheitlichen Bewertung stehen die Produktemissionen auf Grundlage des Bewertungsschemas des AgBB (Ausschuss für die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten) im Fokus. Zudem werden die Produktinhaltsstoffe anhand von Sicherheitsdatenblättern gemäß bestimmter Ausschlusskriterien erfasst und bewertet. Neue Herstellerpflichten entstehen aus der EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO), deren novellierte Fassung am 10. April im EU-Parlament abgestimmt wurde; die Veröffentlichung erfolgt voraussichtlich im Herbst 2024. Für die Erstellung und Veröffentlichung europäischer harmonisierter Normen, die die Grundlage zur CE-Kennzeichnung bilden, werden neue offizielle Verfahren eingerichtet, die die Prozesse beschleunigen sollen. In Zukunft wird es zudem verpflichtende Umweltindikatoren für Bauprodukte geben – das Thema Nachhaltigkeit wird gemäß den Zielen des europäischen „Green Deals“ eine größere Rolle spielen.
Problematic TVOC
Fertighausunternehmen gewährleisten die gesundheitliche Unbedenklichkeit bezugsfertiger bzw. ausbaufähiger Häuser, auch hinsichtlich der eingesetzten Bauprodukte. Die Verknüpfungen der baurechtlichen Vorgaben mit zusätzlichen Qualitätsansprüchen und eigenen Kontrollmechanismen war das Thema des Vortrags von Dipl.-Ing. Georg Lange, Geschäftsführer Bundesverband deutscher Fertigbau e. V. Bei Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen nahm der Verband schon früh eine Vorreiterrolle ein und definierte für seine Mitglieder, die in der Qualitätsgemeinschaft Deutscher Fertigbau (QDF) zusammengeschlossen sind, bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten strenge Standards (seit 2003 gilt ein Wert von 0,03 ppm). In der aktuellen QDF-Richtlinie ist für Produktkontrollen für die QDF-Positivliste neben der Messung von Formaldehyd, Schwermetallen, Pentachlorphenol (PCP) und Lindan auch die Bestimmung flüchtiger organischer Verbindungen (VOC – Volatile Organic Compounds) vorgesehen. Aktuell noch auf freiwilliger Basis – 2025 soll die Anforderung ggf. verpflichtend werden. Außerdem sind bereits jetzt regelmäßige Raumluftmessungen in den Gebäuden durchzuführen. Von der Politik fordert der BDF eine realistischere Bewertung bestimmter, Holz-relevanter VOC wie z. B. Terpene. Zudem äußerte der Referent einige kritische Anmerkungen zur Nutzung von Innenraumrichtwerten oder zum Ansatz des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG), das der Bund im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ins Leben gerufen hat. Unter anderem wurde die Verwendung der Summe der flüchtigen organischen Verbindungen (TVOC − Total Volatile Organic Compounds) als Bewertungsparameter in öffentlichen bzw. baurechtlichen Anforderungen zur Diskussion gestellt.
Ökobilanzen werden Teil der Leistungserklärung
Einen Einblick in den Bereich der Environmental Product Declaration (EPD) und der Ökobilanzierung lieferte Philipp Boogman vom IBO − Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie in seinem Vortrag. Für relevante Daten zu einzelnen Stoffen werden überwiegend vorhandene Datenbanken genutzt, wobei diese je nach Anbieter unterschiedliche Daten enthalten können. Ergebnis der Datensammlung ist eine Sach- oder Wirkbilanz, die in eine EPD überführt werden kann. Diese fasst wiederum die Ökobilanz in einer einheitlichen Form zusammen, wobei hierfür zwar Basisnormen für gewisse Grundregeln existieren, die Regeln für Produktkategorien verschiedener Programmanbieter aber bislang noch nicht harmonisiert sind. Ein wichtiger Fakt für alle Bauprodukthersteller: Ökobilanz-Indikatoren werden zukünftig fester Bestandteil der Leistungserklärung sein, die für alle in Verkehr gebrachten Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung nach der novellierten BauPVO ausgestellt werden muss. 2025 ist die obligatorische Deklaration des GWP-Indikators (Global Warming Potential) vorgesehen, bis 2031 die Deklaration aller Indikatoren einer Ökobilanz. Das eco-INSTITUT wird daher sein Portfolio erweitern: In Zukunft steht das Unternehmen auch zum Thema Ökobilanzierung – in enger Kooperation mit dem IBO − als Ansprechpartner zur Verfügung.
QNG- und DGNB-Systeme im Vergleich
Wie unterscheiden sich QNG-Label und das nachhaltige Gebäudezertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB)? Das war das Thema des Vortrags von Svend Ulmer, Inhaber von Green Building Services Köln und DGNB-Gründungsmitglied, der aus seiner Beratungspraxis berichtete. Häufig gibt es Parallelen zwischen QNG und DGNB, aber auch Unterschiede, die oft im Detail liegen. Ein gleichzeitiger Nachweis für die Erfüllung der QNG- und der DGNB-Kriterien kann dann unter Umständen nicht möglich sein. Klar wurde, dass die Komplexität beider Systeme zunimmt und die Verständlichkeit für Praktikerinnen und Praktiker demnach immer schwieriger wird. Strenge Umwelt- und Gesundheitslabel wie das eco-INSTITUT-Label, das natureplus®-Qualitätszeichen oder der Blaue Engel decken beide Systemanforderungen für gewisse Produktgruppen bereits ab und sind beispielsweise bei der DGNB offiziell anerkannt. Was für beide Systeme jedoch gilt: Es sind keine bestimmten Produktzertifizierungen erforderlich. Hersteller sollten aber zumindest entsprechende Informationen bereithalten und z. B. auf ihrer Website veröffentlichen.
Kurzvorträge aus der Arbeit des eco-INSTITUTs
Daniel Tigges, Geschäftsführer des eco-INSTITUTs, gab im Anschluss einen kurzen Überblick über europäische Initiativen, die für Bauprodukthersteller zusätzlich relevant werden und mit denen sich auch das eco-INSTITUT beschäftigt. Zukünftig sollen nur anerkannte Umweltzeichen im Rahmen der BauPVO und der sog. Green-Claims-Initiative – ein EU-Gesetzesentwurf gegen Greenwashing, der verbindliche Anforderungen für umweltbezogene Werbeaussagen bei Produkten regeln will – zulässig sein. Derzeit ist allerdings noch unklar, wie eine solche Anerkennung genau aussehen soll. Für Hersteller ist jetzt schon die EU-Taxonomie-Verordnung relevant, da sie ein gemeinsames Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten vorgibt. Als erste EU-Verordnung konkretisiert sie Produktanforderungen hinsichtlich VOC-Emissionen auf Grundlage der DIN EN 16516 – dem europäischen Prüfverfahren für Emissionen aus Bauprodukten.
Vanessa Laumann, Leiterin der Zertifizierungsstelle für das eco-INSTITUT-Label, erläuterte in ihrem Vortrag den Prozess der Zertifizierung mit dem firmeneigenen Label und informierte über die aktuelle Entwicklung der eco-INSTITUT-Label-Kriterien. Um für zukünftige Anforderungen am Markt gut gewappnet zu sein, strebt das eco-INSTITUT für sein Label eine Akkreditierung gemäß DIN EN ISO 17065 an und wartet derzeit auf den Entscheid der Deutschen Akkreditierungsstelle. Bereits jetzt können Produkthersteller das eco-INSTITUT-Label mit seinem umfangreichen, strengen Anforderungskatalog hinsichtlich VOC-Emissionen, gesundheitsgefährdender Inhaltsstoffe und Geruch dafür nutzen, die Ansprüche umwelt- und gesundheitsbewusster Verbraucherinnen und Verbraucher zu erfüllen oder europäische Gebäudeanforderungen nachzuweisen.
Hannah Laurenzen, Chemikerin beim eco-INSTITUT und tätig im Bereich Forschung und Entwicklung, stellte zum Abschluss noch ein 2-jähriges Forschungsprojekt vor, das vom eco-INSTITUT in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wurde. Das eco-INSTITUT hat im Rahmen des Projekts eine beheizbare Emissionsprüfkammer mit einem Volumen von 3 m³ gebaut, um große und komplexe Prüfstücke wie z. B. Wandaufbauten oder Caravan-Bauteile bei wechselnden klimatischen Bedingungen prüfen zu können. Die Universität Bonn hat für eine schnellere Analytik einen Fast-GC (Flow-Field Thermal Gradient Gaschromatograph) entwickelt, der über ein neu entwickeltes Online-Probenahmesystem direkt mit der Prüfkammer gekoppelt werden konnte. Im Laufe des Forschungsprojekts wurden Messungen bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. Auch zukünftig wird die beheizbare Prüfkammer den Kundinnen und Kunden des eco-INSTITUTs für variable Emissionsprüfungen zur Verfügung stehen.